Mitte November veröffentlichte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht „Principles for the effective management and supervision of climate-related financial risks“. Dieses Konsultationspapier reiht sich ein in eine Vielzahl an Publikationen von europäischen und internationalen Institutionen zum Thema Klimarisikomanagement. Der Basler Ausschuss war diesbezüglich ebenfalls nicht ganz untätig. Seit Frühjahr 2020 publizierte er klimabezogene finanzielle Risiken betreffend eine Umfrage sowie die Berichte Risikotreiber und Messmethoden.
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ist der mit Abstand wichtigste globale Standardsetzer für die aufsichtsrechtliche Regulierung von Banken und bietet ein Forum für die regelmäßige Zusammenarbeit in aufsichtsrechtlichen Fragen. Seine derzeit 45 Mitglieder setzen sich aus Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden aus insgesamt 28 Jurisdiktionen zusammen. Sein großer, globaler Einfluss ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass nicht Politiker in dieses Gremium entsandt werden, sondern es sich aus Technokraten, also Experten, zusammensetzt.
Der Basler Ausschuss setzt aufsichtsrechtliche Standards für international tätige Banken. Eine gesetzliche Verpflichtung aus diesen Standards leitet sich nicht ab, diese sind (lediglich) als Best Practices anzusehen. Ist eine Bank beispielsweise regional bzw. national ohne jeglichen Auslandsbezug tätig, so könnte sie diese Standards grundsätzlich ignorieren. Das Besondere am Basler Ausschuss für Bankenaufsicht ist jedoch, dass die EU regelmäßig dessen Standards mittels Verordnungen und Richtlinien zu verbindlichen Vorschriften für alle europäischen Banken erklärt. In der Vergangenheit ist das beispielsweise für den Basel II-Akkord und die Initiativen als Reaktion auf die Finanzkrise 2007-09 („Basel III“) geschehen. Ferner orientieren sich Aufsichtsbehörden immer wieder an den Richtlinien und Standards, die der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht publiziert.
Bevor wir uns den im Konsultationspapier vorgeschlagenen Grundsätzen widmen, wollen wir uns zunächst mit dem Begriff „climate-related financial risks“, also den klimabezogenen finanziellen Risiken, beschäftigen und diese ein wenig besser verstehen. Ausgangspunkt sind die klimabezogenen Risikotreiber, die physische Risiken und Übergangsrisiken umfassen. Physische Risiken sind entweder akut (z.B. Waldbrände, Hitzewellen, Überflutungen) oder chronisch (z.B. Trockenheit, Anstieg des Meeresspiegels). Beispiele für Übergangsrisiken sind staatliche Eingriffe oder technologischer Fortschritt, der zu einem Wertverlust von Vermögensgütern führen und damit die Fähigkeit, durch den Einsatz von Vermögensgütern (z.B. Maschine, Bürogebäude) Einkommen zu generieren und daraus vertraglich vereinbarte Tilgungs- und Zinszahlungen zu leisten, erheblich beeinträchtigen kann. Die klimabezogenen Risikotreiber können wiederum den traditionellen finanziellen Risiken – Kredit-, Markt-, Liquiditäts- und Operationelle Risiken – zugeordnet werden. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass das Klimarisiko – in Form physischer Risiken und Übergangsrisiken – kein neues, separates Risiko sondern vielmehr ein „Querschnittsrisiko“ darstellt, das im Rahmen der bestehenden Risiken miterfasst, gemessen, gesteuert und überwacht wird.
Überblick über die Grundsätze
Das Konsultationspapier enthält 18 high-level Grundsätze. Die Grundsätze 1 bis 12 geben Banken Hilfestellung für ein wirksames Management klimabedingter finanzieller Risiken, während die Grundsätze 13 bis 18 die Aufsichtsbehörden anleiten sollen. Die vorgeschlagenen Grundsätze zielen darauf ab, ein Gleichgewicht bei der Verbesserung der Praktiken im Zusammenhang mit dem Management klimabedingter finanzieller Risiken sicherzustellen und damit eine gemeinsame Basis für international tätige Banken und Aufsichtsbehörden zu schaffen, während gleichzeitig angesichts des Grades der Heterogenität der globalen Bankenlandschaft und der sich (erst) zu entwickelnden Marktpraktiken im Bereich des Klimarisikomanagements genügend Flexibilität gewahrt bleiben soll.
Neben dem Fokus auf Banken und Aufsichtsbehörden als den beiden („Norm“-)Adressaten dieses Papiers weist der Basler Ausschuss die 18 Grundsätze 10 Themenbereichen zu. Der vorliegende Artikel folgt dieser Struktur.
Im Folgenden werden die Grundsätze des Basler Ausschusses in der deutschen Sprache sinngemäß wiedergegeben. Von einer allzu wörtlichen Übersetzung wurde bewusst Abstand genommen.
Corporate Governance
Grundsatz 1: Banken sollten einen fundierten Prozess entwickeln und implementieren, um die potenziellen Auswirkungen klimabedingter Risikotreiber auf ihre Geschäfte und das Umfeld, in dem sie tätig sind, zu verstehen und zu bewerten. Banken sollten wesentliche klimabedingte finanzielle Risiken, die sich über verschiedene Zeithorizonte ergeben können, in ihre allgemeinen Geschäftsstrategien einbeziehen sowie im Rahmen ihres Risikomanagements ausreichend berücksichtigen.
Grundsatz 2: Vorstand und Senior Management sollten untereinander sowie Ausschüssen klare klimabezogene Verantwortlichkeiten zuweisen und die klimabezogenen finanziellen Risiken wirksam überwachen. Vorstand und Senior Management sollten ferner in der gesamten Organisationsstruktur klare Verantwortlichkeiten für das klimabezogene Risikomanagement definieren.
Grundsatz 3: Banken sollten geeignete Prozesse und Kontrollen einführen, die ein wirksames Management klimabedingter finanzieller Risiken in der gesamten Organisation gewährleistet.
Interne Kontrollen
Grundsatz 4: Banken sollten klimabezogene finanzielle Risiken über alle drei Verteidigungslinien hinweg in ihren internen Kontrollrahmen einbeziehen, um eine fundierte, umfassende und wirksame Identifizierung, Messung und Minderung wesentlicher klimabedingter finanzieller Risiken zu gewährleisten.
Kapital- und Liquiditätsausstattung
Grundsatz 5: Banken sollten klimabezogene finanzielle Risiken identifizieren und quantifizieren und diese in ihre Prozesse zur Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals und der Liquidität einbeziehen.
Risikomanagementprozess
Grundsatz 6: Banken sollten alle klimabezogenen finanziellen Risiken identifizieren, überwachen und steuern, die ihre Finanzlage einschließlich ihrer Kapitalausstattung und Liquiditätsposition wesentlich beeinträchtigen könnten. Banken sollten sicherstellen, dass ihr Risikoappetit- und ihr Risikomanagement alle wesentlichen klimabezogenen finanziellen Risiken, denen sie ausgesetzt sind, berücksichtigen und zuverlässige Methoden und Prozesse zur Identifizierung, Messung, Überwachung und Steuerung dieser Risiken festlegen.
Überwachung und Reporting
Grundsatz 7: Im Rahmen der Aggregation von Risikodaten sowie beim internen Risikoreporting sind klimabezogene finanzielle Risiken einzubeziehen. Banken sollten sicherstellen, dass ihr internes Reporting in der Lage ist, wesentliche klimabezogene finanzielle Risiken zu überwachen und zeitnahe Informationen zu liefern, um eine wirksame Entscheidungsfindung seitens des Vorstandes und des Senior Managements zu gewährleisten.
Kreditrisikomanagement
Grundsatz 8: Banken sollten die Auswirkungen klimabezogener Risikotreiber auf ihre Kreditrisikoportfolien verstehen und sicherstellen, dass Kreditrisikomanagementsysteme und -prozesse wesentliche klimabezogene finanzielle Risiken berücksichtigen.
Markt-, Liquiditäts-, Operationelle und Sonstige Risiken
Grundsatz 9: Banken sollten die Auswirkungen klimabezogener Risikotreiber auf ihre Marktrisikopositionen verstehen und sicherstellen, dass Marktrisikomanagementsysteme und -prozesse wesentliche klimabezogene finanzielle Risiken berücksichtigen.
Grundsatz 10: Banken sollten die Auswirkungen klimabezogener Risikotreiber auf ihre Liquiditätsrisikoprofile verstehen und sicherstellen, dass Liquiditätsrisikomanagementsysteme und -prozesse wesentliche klimabezogene finanzielle Risiken berücksichtigen.
Grundsatz 11: Banken sollten die Auswirkungen klimabezogener Risikotreiber auf ihr Operationelles Risiko verstehen und sicherstellen, dass ihre Operationellen Risikomanagementsysteme und -prozesse wesentliche klimabezogene finanzielle Risiken berücksichtigen. Banken sollten ferner die Auswirkungen klimabedingter Risikotreiber auf andere Risiken verstehen und angemessene Maßnahmen ergreifen, um diesen Risiken, sofern sie wesentlich sind, Rechnung zu tragen. Dazu gehören klimabezogene Risikotreiber, die zu einem erhöhten strategischen Risiko, Reputationsrisiko und regulatorischem Compliance-Risiko führen können, sowie Haftungskosten im Zusammenhang mit klimasensiblen Investitionen und Unternehmen.
Szenarioanalyse
Grundsatz 12: Banken sollten gegebenenfalls Szenarioanalysen einschließlich Stresstests nutzen, um die Widerstandsfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle und Strategien mittels plausibler Klimaszenarien zu analysieren. Diese Analysen sollten physische Risiken und Übergangsrisiken als Treiber von Kredit-, Markt-, Operationellen und Liquiditätsrisiken über eine Reihe relevanter Zeithorizonte hinweg berücksichtigen.
Aufsichtsbehörden
Grundsatz 13: Aufsichtsbehörden sollten feststellen, dass die Einbeziehung wesentlicher klimabedingter finanzieller Risiken durch Banken in ihre Geschäftsstrategien, Corporate Governance und internen Kontrollen solide und umfassend ist.
Grundsatz 14: Aufsichtsbehörden sollten Banken dahingehend überprüfen, dass Banken alle wesentlichen klimabezogenen finanziellen Risiken angemessen identifizieren, überwachen und steuern können.
Grundsatz 15: Aufsichtsbehörden sollten festlegen, dass Banken die Auswirkungen klimabedingter Risikotreiber auf ihre Portfolien umfassend identifizieren und bewerten und sicherstellen, dass wesentliche klimabedingte finanzielle Risiken bei ihrem Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Operationellen und sonstigen Management angemessen berücksichtigt werden. Aufsichtsbehörden sollten gegebenenfalls die Anwendung einer Klimaszenarioanalyse vorschreiben.
Verantwortlichkeiten, Befugnisse und Funktionen von Aufsichtsbehörden
Grundsatz 16: Falls Aufsichtsbehörden beim Assessment klimabezogener finanzieller Risiken wesentliche Mängel feststellen, sollten sie geeignete Techniken und Instrumente einsetzen und angemessene Maßnahmen ergreifen.
Grundsatz 17: Aufsichtsbehörden sollten sicherstellen, dass sie über angemessene Ressourcen und Kapazitäten verfügen, um das Management klimabedingter finanzieller Risiken von Banken beurteilen zu können.
Grundsatz 18: Aufsichtsbehörden sollten gegebenenfalls klimabezogene Risikoszenarioanalysen einschließlich Stresstests verwenden, um relevante Risikofaktoren zu identifizieren, Portfolioengagements zu bewerten, Datenlücken festzustellen und die Angemessenheit von Risikomanagementansätzen zu beurteilen. Gegebenenfalls sollten Aufsichtsbehörden die Ergebnisse veröffentlichen.
Analyse
Die oben angeführten Grundsätze stellen ohne Zweifel einen ersten wichtigen Schritt beim wirksamen Management klimabedingter finanzieller Risiken dar. Sie decken alle relevanten Bereiche ab. Die Banken sind daher gut beraten, so rasch wie möglich mit deren Umsetzung zu beginnen und die beschriebenen Grundsätze als Mindestanforderungen anzusehen. Das Thema Klimawandel wird auf absehbare Zeit nicht an Bedeutung verlieren – ganz im Gegenteil!
Zwar werden die Klimarisiken – oder klimabezogenen Risikotreiber, wie sie der Basler Ausschuss nennt – umfassend und methodisch erfasst, es mangelt jedoch an einer holistischen Betrachtung der Klimarisiken im vorliegenden Konsultationspapier. Für ein umfassendes Verständnis und Management der Klimarisiken reicht es eben nicht aus, diese nur als Bestandteil der finanziellen Risiken zu sehen. Eine integrierte Betrachtung ist unabdingbar, um das gesamte Ausmaß der Auswirkungen der Klimarisikotreiber auf das Bankportfolio abschätzen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Entscheidend ist jedenfalls, dass keine neuen (zusätzlichen) Silos im Rahmen des Risikomanagements errichtet werden.
Auffallend ist, dass nur zwei Grundsätze, nämlich 7 und 18, den Begriff „Data“ enthalten. In den Ausführungen zu Grundsatz 7 ist zwar von Data Governance und IT Architektur die Rede und die aggregierten Daten müssen die Kriterien „accurate and reliable“ erfüllen. Ohne die Existenz eines entsprechenden Datenhaushalts verkommen die Grundsätze rasch zur Makulatur. Ein fundiertes und wirksames Risikomanagement muss auf (qualitativ hochwertige) Datenreihen zurückgreifen. Insbesondere zur Durchführung einer Szenarioanalyse bedarf es einer Vielzahl interner (soweit verfügbar) und externer Daten.
Zu einem bestimmten Grad fühlen wir uns in die Anfänge von Basel II zurückversetzt: Banken schwärmten vom neuen, innovativen auf Internen Ratings basierenden (IRB) Ansatz, der eine Reduktion der Eigenkapitalanforderungen in Aussicht stellte, jedoch gleichzeitig Risikodaten in Form von Zeitreihen erforderlich machte. Mit anderen Worten: Das bestausgeklügelte Risikomodell half nichts, wenn die Bank der Aufsicht nicht entsprechende Zeitreihen in den relevanten Segmenten bzw. Risikokategorien (z.B. Retail/Mengengeschäft, Corporates etc.) nachweisen konnte.
Es wäre allzu überraschend, falls zum Thema Klimadaten nicht weitere Publikationen folgen würden. Persönlich erwarte ich mir entweder eine klimabezogene Aktualisierung der „Grundsätze für die effektive Aggregation von Risikodaten und die Risikoberichterstattung“ oder überhaupt die Veröffentlichung einer Sonderausgabe betreffend Klimadaten. Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Nicht anders verhält es sich mit den hier vorliegenden Grundsätzen. Weitere Präzisierungen folgen bestimmt. Die Frist zur Einmeldung von Anmerkungen und Kommentaren an den Basler Ausschuss endet am 16. Februar 2022.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht auf LinkedIn am 16. Dezember 2021.
Bildquelle: Unsplash (Becca Lavin)
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