Die zunehmende Popularität von und Polarisierung rund um Kryptowährungen hat den Ruf nach einer stärkeren regulatorischen Kontrolle erhöht. Die Ansätze der einzelnen Länder und Jurisdiktionen könnten kaum unterschiedlicher sein. Während El Salvador kürzlich ein Gesetz verabschiedete, das Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, hat China dem Bitcoin-Mining den Kampf angesagt. Ein Exodus in andere Staaten – darunter Kasachstan – ist zu beobachten.
In der Zwischenzeit durchläuft die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Verordnung über Märkte für Kryptowerte ihre ersten Lesungen im Rat und im Europäischen Parlament. Diese Verordnung ist ein integraler Bestandteil der Digital Finance Strategy der EU und wird sich mit Sicherheit auf das Funktionieren des europäischen Kryptomarktes auswirken.
Dieser Artikel analysiert ausgewählte Aspekte der Verordnung, seine Auswirkungen auf den europäischen Kryptomarkt und wagt einen Ausblick. Dieser Artikel verfolgt ausdrücklich nicht das Ziel, den Kommissionsvorschlag in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung aller politischer, regulatorischer und technischer Faktoren zu diskutieren.
regulatorische analyse
Anwendungsbereich
Zunächst einmal ist es sehr wichtig festzuhalten, dass die Verordnung nicht Blockchain- oder Distributed-Ledger-Technologien, die Kryptowährungen zugrunde liegen, erfasst. Sie gilt ferner nicht für digitale Währungen, die (zukünftig) von Staaten ausgegeben und von Zentralbanken reguliert werden. Alle anderen Kryptowährungen, die keine Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente (im Folgenden kurz MiFID II genannt) sind, fallen in den Anwendungsbereich der Verordnung.
Die dezentrale Distributed-Ledger-Technologie, die Kryptowährungen zugrunde liegt, bedeutet, dass keine einzelne Person oder Entität sie kontrollieren kann. Dies macht Kryptowährungen besonders für all diejenigen attraktiv, die an die ursprünglichen Bitcoin-Prinzipien eines offenen, demokratischen und dezentralisierten Geldaustauschs glauben.
Dezentralisierung bedeutet jedoch auch, dass sich Krypto-Anwender bei Betrug, Cyber-Angriffen oder versehentlichem Verlust von Geldern nicht an die Behörden wenden können. Die vorgeschlagene EU-Verordnung adressiert diesen Vorbehalt bis zu einem gewissen Grad, indem sie den Austausch von Kryptowährungen den Standards für Verbraucherschutz, Transparenz und Governance unterwirft. Einige kryptospezifische Risiken bleiben jedoch unberücksichtigt. So sollen beispielsweise Kryptowährungsbörsen Verbraucher vor Cyberangriffen, Diebstahl oder Fehlfunktionen schützen, auf eine Erweiterung der Versicherungspflicht wird jedoch verzichtet.
Stablecoins
Stablecoins bilden neben Kryptowährungsbörsen den Schwerpunkt der Verordnung. Stablecoins sind Kryptowährungen, deren Wert an einen anderen Vermögenswert wie beispielsweise Gold, ein gesetzliches Zahlungsmittel oder eine andere Kryptowährung gekoppelt ist. Diese wurden geschaffen, um die Preisvolatilität von Kryptowährungen zu überwinden, die darauf zurückzuführen ist, dass es keinen robusten Mechanismus zur Bestimmung ihres realen Wertes gibt. Die Verordnung bezeichnet Stablecoins übrigens als „wertreferenzierte Token“ und definiert diese in Artikel 3 Absatz 1 Ziffer 3 folgendermaßen: „Kryptowert, bei dem verschiedene Nominalgeldwährungen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind, oder eine oder mehrere Waren oder ein oder mehrere Kryptowerte oder eine Kombination solcher Werte als Bezugsgrundlage verwendet werden, um Wertstabilität zu erreichen.“
Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen kann bei Stablecoins nicht davon ausgegangen werden, dass ihr Wert im Laufe der Zeit exponentiell ansteigt. Infolgedessen werden Stablecoins auf dem Kryptomarkt für zwei Hauptzwecke genutzt: Zum einen können Inhaber von Kryptowährungen ihre kurzfristigen Gewinne in Stablecoins mit der Absicht umwandeln, bei Gelegenheit in andere Kryptowährungen zu investieren. Zum anderen können Stablecoins an Kryptowährungsbörsen angelegt werden, um eine Rendite zu erzielen. Mit Stablecoins lassen sich – im heutigen Zinsumfeld beachtliche – 10% p.a. oder mehr verdienen. Berücksichtigen wir zusätzlich die in Folge der Lockdowns höheren Inflationsraten, so fallen die europäischen Bürger um eine attraktive Anlagemöglichkeit um.
Der vorgeschlagene Verordnungstext verwendet eine bis dato eher unübliche Terminologie und unterteilt Stablecoins in Kategorien wie „E-Geld-Token“ (= Kryptowert, dessen Hauptzweck darin besteht, als Tauschmittel zu dienen, und bei dem eine Nominalgeldwährung, die gesetzliches Zahlungsmittel ist, als Bezugsgrundlage verwendet wird, um Wertstabilität zu erreichen) und „Utility-Token“ (= Kryptowert, der dazu bestimmt ist, digitalen Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu verschaffen).
Stablecoins unterliegen strengen regulatorischen Standards bezüglich Governance, Betrieb und Transparenz. Im Gegensatz zu anderen Kryptowährungen müssen Stablecoins für den Handel innerhalb der EU von Aufsichtsbehörden zugelassen werden. Diese Zulassungspflicht gilt auch für bereits im Umlauf befindliche Stablecoins. Infolgedessen müssen bestehende Stablecoins für den Handel in der EU eine Genehmigung der Aufsichtsbehörden einholen. Erwähnenswert erscheint zudem, dass die Verordnung die Ausgabe von Zinsen für Stablecoins explizit verbietet. Die Verordnung führt nicht näher aus, warum dieser Eingriff in die Finanzautonomie notwendig erscheint.
Markteintritt
Da der Kryptomarkt aktuell über keinerlei erwähnenswerte Eintrittsbarrieren verfügt, ist er zweifelsohne egalitärer als andere Anlagemärkte wie beispielsweise der Aktienmarkt. Dies wiederum erleichtert es Privatanlegern, in Kryptowährungen zu investieren, ohne entsprechende Anlegerstandards erfüllen zu müssen.
Gleichzeitig stellt der Kryptomarkt die ideale Plattform für kleinere Projekte mit hohem Potenzial dar, um relativ einfach an Liquidität zu gelangen, ohne eine Vielzahl an regulatorischen und finanziellen Voraussetzungen abdecken zu müssen. Es liegt somit in der Verantwortung eines jeden einzelnen, Recherchen anzustellen, um zu entscheiden, ob ein Projekt über ausreichendes Potenzial verfügt, bevor er in dieses investiert.
Whitepaper
Der Kommissionsvorschlag verpflichtet Emittenten zur Erstellung eines sogenannten Kryptowert-Whitepaper. Dieses ist zu veröffentlichen und bei den zuständigen Aufsichtsbehörden einzureichen. Eine explizite Genehmigung des Kryptowert-Whitepaper seitens der Aufsichtsbehörden ist nicht vorgesehen, wodurch die Einreichung lediglich deklarativen Charakter hat. Darüber hinaus schreibt die Verordnung den Emittenten von Kryptowährungen die Gründung einer juristischen Person in einem der Mitgliedstaaten vor.
Die Liste der Informationen, die Emittenten mit der Öffentlichkeit teilen müssen, ist relativ überschaubar. Erwähnenswert ist, dass Kryptowert-Whitepaper keinerlei Informationen betreffend „Tokenomics“ offenlegen müssen. Darunter wird verstanden, wann und in welcher Menge Token ausgegeben werden bzw. welchen Nutzen die Token voraussichtlich haben werden. Tokenomics diktiert den Rahmen für das Angebot und die Nachfrage von Token und hat folglich einen erheblichen Einfluss auf den Preis des Tokens. Aus Investorensicht wäre aber gerade dieser Punkt von besonderem Interesse.
Der Vollständigkeit halber ist zu sagen, dass „qualifizierte Anleger“ – also professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien im Sinne der MiFID II – einem niedrigeren Schutzniveau unterliegen und dementsprechend Vorteile beim Erwerb von Stablecoins genießen.
„Elon Musk“-Klausel
Elon Musks Tweets über Teslas Haltung zu Bitcoin waren in den letzten Monaten für extreme Preisschwankungen verantwortlich. Der Kommissionsvorschlag möchte derartige Marktmanipulationen unterbinden, die je nach nationalem Recht strafrechtlich geahndet werden können. In der Frage der Marktmacht verbietet die Verordnung darüber hinaus den Erwerb einer marktbeherrschenden Stellung auf Kryptomärkten, was interessant erscheint, wenn man bedenkt, dass die Wettbewerbsregeln der EU darauf abzielen, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verbieten und nicht deren Existenz oder Erwerb.
Zuständige Behörden
Der Verordnungstext beinhaltet eine – angelehnt an das EU-Wettbewerbsrecht – Kombination aus Zentralisierung (EU-Ebene) und Dezentralisierung (nationaler Ebene). Die nationalen Behörden wenden bei der Durchsetzung der Verordnung nationale Verfahrensvorschriften an und verhängen im jeweiligen nationalen Recht vorgesehene Maßnahmen einschließlich gegebenenfalls strafrechtlicher Sanktionen.
Gleichzeitig verleiht die Verordnung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) umfangreiche Aufsichts- und Ermittlungsbefugnisse. Daneben wird die Europäische Zentralbank in das Zulassungsverfahren von Stablecoins mit einer unverbindlichen Stellungnahme eingebunden. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieser im Rahmen der Zulassung ein besonderer Stellenwert zukommen wird. Schließlich ist die Europäische Kommission befugt, weitere Einzelheiten der Verordnung durch den Erlass delegierter Rechtsakte festzulegen.
Die im Kommissionsvorschlag vorgesehenen dezentralen Elemente werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Forum Shopping führen, da Emittenten vermutlich die Mitgliedstaaten mit den effizientesten und kryptofreundlichsten Behörden als ihren Sitzstaat auswählen werden. Es darf erwartet werden, dass die Europäische Kommission ein Netzwerk zwischen den Aufsichtsbehörden aufbauen wird, um Forum Shopping zu verhindern und die Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung zu forcieren. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Beziehungen zwischen den Brüsseler Behörden und denen der Mitgliedstaaten in der Zukunft entwickeln und welche Implikationen sich daraus für den europäischen Kryptomarkt ergeben.
Ist der Kommissionsvorschlag überschießend oder zu lasch?
Regierungen haben die Verpflichtung, Betrug, Steuerhinterziehung und Geldwäsche – allesamt Themen, die die Kryptowelt aktuell plagen – mit allen legitimen Mitteln zu bekämpfen. Die stetig steigende Zahl von Bitcoin-Beschlagnahmen durch die Polizei lässt jedenfalls den Schluss zu, dass potenziell kriminelle Aktivitäten mehr und mehr in den Fokus von Aufsichts-, Steuer- und Strafverfolgungsbehörden rücken werden. Die weitaus entscheidendere Frage lautet jedoch, ob Kryptowährungen eine Gefahr für das Finanzsystem darstellen. Sollte beispielsweise Bitcoin zusammenbrechen, so gehen Experten davon aus, dass seine Inhaber zwar Hunderte Milliarden USD verlieren würden, die weiteren Auswirkungen jedoch überschaubar wären. Die Finanzstabilität wäre – so der allgemeine Tenor – nicht in Gefahr.
Auf der einen Seite stellen einige Aspekte der Verordnung betreffend Stablecoins – darunter das Zinsverbot – wohl einen ungerechtfertigten Eingriff in die Finanzautonomie dar. Setzt sich der Wachstumskurs von Stablecoins hingegen fort, so wäre die Fähigkeit der Geldinstitute, die Liquidität zu regulieren, auf Kosten der Geldwertstabilität gefährdet. Mit dem Zinsverbot will der europäische Gesetzgeber vermutlich die Veranlagung von Gewinnen aus Kryptowährungen in Stablecoins verhindern und folglich die Interessen des (traditionellen) europäischen Bankensektors schützen. Die nationalen Steuerbehörden würden ebenfalls zu den Gewinnern dieser Regelung zählen.
Andererseits kann von Stablecoins eine Gefahr ausgehen, zumal ihr Wert an konventionelles Geld gekoppelt ist. Derartige Stabilitätsversprechen hatten in der Vergangenheit oft Finanzkrisen zur Folge. Da Banken jederzeit kündbare und risikolose Einlagen anbieten, sind sie anfälliger dafür, dass in Zeiten einer (Reputations-)Krise viele Sparer gleichzeitig eine Bank stürmen, um ihre Einlagen abzuheben. Stablecoins sind ähnlich strukturiert. Tether hat beispielsweise Token im Wert von insgesamt 62 Milliarden USD ausgegeben, wobei ein Token für einen USD einlösbar ist. Ziehen wir die öffentlich zugänglichen Informationen heran, so waren im März 2021 lediglich 5% der Token durch Bargeld oder Treasury Bills besichert. Tether selbst behauptet, dass die restlichen Token „vollständig durch Reserven gedeckt“ sind.
In seiner Ausgabe vom 7. August 2021 stufte der renommierte „The Economist“ die meisten Vermögenswerte von Tether als riskant ein – etwa die Hälfte bestand aus Commercial Paper. Auf Grundlage der Offenlegungsberichte wurde ferner errechnet, dass Tether Commercial Paper im Wert von über 30 Milliarden USD hält. Bei einem geschätzten Hebel von 383 zu 1 wäre Tether nach Verlusten von nur 0,26% (!) nicht mehr in der Lage, alle Token einzulösen – ein Sicherheitspolster, den die Aufsichtsbehörden bei einer Bank niemals zulassen würden. Während Tethers Offenlegung betreffend die Struktur seiner Vermögenswerte grundsätzlich sehr zu wünschen übrig lässt, sind andere Stablecoins noch weitaus zurückhaltender und geben kaum Einblick in ihre Bilanzen.
Der Schluss liegt somit nahe, dass eine Regulierung von Kryptowährungen im Allgemeinen und Stablecoins im Besonderen unbedingt geboten ist. Demnach sollten Stablecoins in puncto Kapitalanforderungen, Liquidität und Transparenz Regeln ähnlich einer Bank unterworfen werden. Genau darauf zielt der Kommissionsvorschlag auch ab. Er umfasst Eigenmittelmittelanforderungen, Vorschriften zum Reservevermögen sowie jede Menge Transparenzbestimmungen.
Zur Präzisierung und Detaillierung der regulatorischen und technisch-prozessualen Fragestellungen ist die EBA nach Konsultation der ESMA berufen. Es bleibt beispielsweise abzuwarten, welchen Standard die EBA bei der Definition von hochliquiden Vermögenswerten beim Reservevermögen tatsächlich anlegt.
Erwähnenswert erscheint ferner, dass signifikante wertreferenzierte Token – also Stablecoins mit entsprechendem Kundenstamm, Marktkapitalisierung oder einer besonderen Verflechtung mit dem Finanzsystem – zusätzliche Anforderungen (z.B. Vergütungspolitik, Liquiditätsmanagement, höhere Kapitalanforderungen) erfüllen müssen.
Ausblick
Bei Kryptowährungen handelt es sich um ein disruptives, innovatives Finanzprodukt, das unbestritten eine Menge Vorteile bietet. Zugleich ließ sich in den vergangenen Jahren und lässt sich nach wie vor eine Menge Geld damit verdienen (und auch wieder verlieren). Große Chancen gehen immer mit großen Risiken einher, so lautet die Grundregel bei Investments – „no risk, no fun“ könnte man überspitzt sagen. Tatsächlich sind Kryptowährungen auf ihre Art so anders, so neuartig, eben ein Kind des digitalen Zeitalters, genau darin liegt ihr Reiz. Das wiederum bedeutet, dass sich Kryptowährungen nicht ohne weiteres in ein bestehendes regulatorisches Korsett pressen lassen.
Historische Vergleiche sind immer riskant, hier drängen sie sich aber auf. Im Amerika des 19. Jahrhunderts zirkulierten in der Phase des Free Banking von Privaten ausgegebene Banknoten, deren Wert und Sicherstellung im besten Fall als unsicher bezeichnet werden müssten. Ein vermutlich naheliegender Vergleich ist der mit Geldmarktfonds, die in den 1970er Jahren geschaffen wurden, um die Zinsbeschränkungen, die Banken damals unterlagen, zu umgehen. Nach dem Versprechen, den Wert ihrer Aktien bei einem USD zu halten, platzte die Blase in der globalen Finanzkrise 2008. Der amerikanische Steuerzahler musste eingreifen, um einen Notverkauf der Vermögenswerte und einen Zusammenbruch des Marktes für Commercial Paper zu verhindern. Ein Zusammenbruch von Stablecoins könnte ähnlich aussehen.
Anfang August 2021 ließ Gary Gensler, der Vorsitzende der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde (SEC), zum Thema Kryptowährungen aufhorchen:
The SEC has a three-part mission — to protect investors, facilitate capital formation, and maintain fair, orderly, and efficient markets in between them. We focus on financial stability as well. But at our core, we’re about investor protection.
If you want to invest in a digital, scarce, speculative store of value, that’s fine. Good-faith actors have been speculating on the value of gold and silver for thousands of years.
Right now, we just don’t have enough investor protection in crypto. Frankly, at this time, it’s more like the Wild West.
This asset class is rife with fraud, scams, and abuse in certain applications. There’s a great deal of hype and spin about how crypto assets work. In many cases, investors aren’t able to get rigorous, balanced, and complete information.
If we don’t address these issues, I worry a lot of people will be hurt.
Kryptowährungen sind derzeit in der EU und anderswo weitgehend unreguliert. Die Risiken, die für Inhaber sowie für Banken und Finanzinstitute einhergehen, sind (makroökonomisch) keineswegs zu unterschätzen. Der vorliegende Kommissionsvorschlag möchte dies für einige Aspekte des Kryptowährungsmarktes ändern. Es wäre überaus überraschend, würden EU-Rat und vor allem EU-Parlament im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsprozesses nicht Verschärfungen fordern. Kommen diese jetzt nicht, so ist es lediglich eine Frage der Zeit.
Ein weiterer Kritikpunkt an Kryptowährungen kommt aus der ESG-Ecke und manifestiert sich insbesondere im hohen Energieverbrauch beim Mining. In einer Zeit, wo wir uns zunehmend mit dem Fahrrad, öffentlich oder mit Elektrofahrzeugen fortbewegen, Unternehmen detailliert ihren CO2-Fußabdruck analysieren und die Politik die Verteuerung bzw. die Abschaffung von Kurzstreckenflügen erwägt, lässt sich schwer rechtfertigen, wenn eine einzelne Kryptowährung einen jährlichen Stromverbrauch im Ausmaß von Ländern wie Schweden oder Malaysia aufweist. Der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass der Energiemix digitaler Zahlungsmittel zunehmend aus erneuerbaren Quellen stammt und dass die von Kryptowährungen verbrauchte Energie von anderen Marktteilnehmern zum Teil gar nicht genutzt werden könnte. Dennoch: Der hohe Energieverbrauch macht Kryptowährungen verletzlich und in Zeiten von Net Zero angreifbar. Kryptowährungen laufen Gefahr, früher oder später von nachhaltige(re)n Anlageformen ersetzt zu werden.
Bei Kryptowährungen handelt es sich nicht um einen Bausparvertrag. Ganz im Gegenteil: Es sind hoch spekulative Produkte, die – wie die letzten Monate gezeigt haben – gute Nerven voraussetzen. Ein Mindestmaß an Verbraucherschutz ist daher dringend geboten. Zudem liegt es an den Anbietern von Kryptowährungen, ausreichende Vorkehrungen zu treffen, um Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und ähnliche kriminelle Geschäfte (möglichst) zu vermeiden. Falls sie das nicht von selbst tun bzw. sich ihre Maßnahmen letztendlich als wenig geeignet herausstellen, wird dies Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden erneut auf den Plan rufen, die die Kryptowährungen im schlimmsten aller Fälle zu Tode regulieren.
Welchen Hype lösten Google, Facebook und Amazon zu Beginn dieses Jahrhunderts aus, die allesamt mit dem Ziel angetreten sind, den Markt zu verändern und große, erfolgreiche und etablierte Unternehmen vom Thron zu stoßen? Heute sind die Internetriesen längst selbst Teil des Establishments. Genauer gesagt: Aufgrund ihrer enormen Marktmacht führt kein Weg mehr an ihnen vorbei. Apple, Microsoft, Google & Co. zählen heute zu den wertvollsten Unternehmen der Welt. Lediglich ein Unternehmen der Old Economy – das Energieunternehmen Saudi Aramco – schafft es noch unter die Top 10.
Wie bereits gesagt: Kryptowährungen haftet das Neue und Andersartige an. Mit dem Lauf der Zeit werden aber auch sie zu etablierten Firmen, die ihrerseits Disruptionen fürchten müssen. Ob echte Disruption oder nicht: Die Diskussion um digitale Währungen hat längst Fahrt aufgenommen. Es liegt einzig und allein an den Kryptowährungen, ob sie als eine – wenngleich zwischenzeitlich extrem erfolgreiche – Fußnote in die Geschichtsbücher eingehen oder ob sie die berechtigte Kritik des Marktes annehmen und sich nach all dem Hype zu einem Mainstreamprodukt (weiter-)entwickeln wollen.
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht auf LinkedIn am 2. September 2021.
Bildquelle: Unsplash (Executium)
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